Ein geliebter Mensch ist gestorben – was ist jetzt zu tun?

von Dr. Heribert Warken

Dies ist mein erster Artikel auf dieser Plattform, und der Anlass ist ein äußerst trauriger: Mitte Juli ist meine Schwester plötzlich und für uns alle völlig unerwartet gestorben. Sie hinterlässt ihre zwei Kinder Ende 20 und Anfang 30. Ihnen wurde mit dem plötzlichen Tod ihrer Mutter im wahrsten Sinne des Wortes der Boden unter den Füßen weggezogen. Neben dem Schock und der Trauer waren sie plötzlich mit Themen konfrontiert, die wohl jeden kurz nach dem Tode eines geliebten Angehörigen überfordern. Es geht um die Frage: „Was muss ich denn jetzt alles machen?“

Aus der Erfahrung der vergangenen Wochen möchte ich hier nachfolgend die wichtigsten notwendigen Schritte zusammenfassen, um all denjenigen einen Leitfaden zu geben, die – wie meine Nichte und mein Neffe – plötzlich in eine vergleichbare Situation geraten. Wir haben erfahren: Es kann jede und jeden aus heiterem Himmel treffen.

Die folgenden Handlungsempfehlungen beziehen sich auf einen deutschen Erbfall. Todesfälle mit Auslandsbezug müssen in Teilen anders geregelt werden.

Das Wichtigste vorab: Vollmachten und Kontenberechtigungen

Bevor ich die wichtigsten Schritte darstelle, möchte ich noch einmal eindringlich auf das Thema Vollmachten und Kontoberechtigungen hinweisen!

Das ist ein leider vielfach unterschätztes Thema! Denn es gibt eine Zeitspanne zwischen dem Todeszeitpunkt des Erblassers und dem Zeitpunkt der Legitimation als gesetzlichen Erben (durch Erteilung des Erbscheins), der für die Erben ein zeitliches und rechtliches Vakuum darstellt.

So müssen Rechnungen für die oder den Verstorbenen bezahlt werden (Miete, Handy-, Arzt-, Lieferantenrechnungen, Bankdarlehen etc.). Gegebenenfalls wurde ein Projekt begonnen, das noch nicht abgeschlossen ist, oder bei Unternehmerinnen und Unternehmern stehen dringende Entscheidungen an, die getroffen werden müssen. Der bzw. die Erben können jedoch, solange sie nicht als Erbe legitimiert sind, über keinerlei Gelder verfügen, sofern sie nicht vorher schon über eine Kontoberechtigung der oder des Verstorbenen verfügten. Das heißt: Verträge können nicht gekündigt, geändert oder abgeschlossen werden – und es können auch keine Willenserklärungen mit rechtlicher Bindungswirkung für den Nachlass abgegeben werden. Das Ergebnis ist: Sie sind als Hinterbliebene oder Hinterbliebener in Teilen handlungsunfähig und müssen, falls Sie keine Kontovollmacht besitzen, auch fällige Rechnungen zunächst aus eigener Tasche bezahlen.

Da die Vorlaufzeiten aktuell in Pandemiezeiten besonders lang sind, führt dies zusätzlich zu problematischen Situationen, die Hinterbliebene auch finanziell stark belasten können. In unserem Fall war der früheste Termin beim Nachlassgericht zwei Monate später, um den Erbfall überhaupt anzeigen zu können. Deshalb: Kümmern Sie sich rechtzeitig um eine Vollmacht! Denn viele Probleme treten nicht auf, wenn eine Vorsorgevollmacht oder einer Generalvollmacht vorliegen.

Auf einen Blick: die drei wichtigsten Vollmachten

Eine Vorsorgevollmacht dient zu Lebzeiten der Absicherung der eigenen, auch vorübergehenden Handlungsunfähigkeit. Sinnvoll ist eine Erweiterung auf eine Vollmacht mit trans- oder postmortaler Wirkung, da diese eine Handlungsfähigkeit des Bevollmächtigten zum Todeszeitpunkt bzw. über den Todeszeitpunkt hinaus ermöglicht.

Eine Generalvollmacht, die über den Tod hinaus gilt, ist eine weitere Möglichkeit, allerdings eine sehr weitreichende. Hier sollte man es sich gut überlegen, wem man sie gibt. Es gibt jedoch Wege, diese weitreichende Vollmacht erst dann „wirksam“ werden zu lassen, wenn der Notfall eintritt.

Kontovollmachten sind auch eine gute Option, da so z.B. finanzielle Verpflichtungen aus der Erbmasse weiter bedient werden können. Es ist also sinnvoll, einer vertrauten Person zu Lebzeiten eine Kontovollmacht einzuräumen. Man kann diese auch mit einer umfassenden Vorsorge- oder Generalvollmacht nachträglich einrichten, unproblematischer ist jedoch, wenn eine Kontovollmacht bereits besteht.

Doch kommen wir nun zu der Frage: „Was muss ich jetzt alles machen?“1

1. Schritt: Bestattung organisieren

Wenn der erste Schock überwunden ist, muss die Bestattung organisiert werden. Dazu sollte man Kontakt zu einem Bestattungsunternehmen aufnehmen, das einem viele Dinge in der Anfangsphase organisatorisch abnehmen kann. Mit der Bestatterin oder dem Bestatter werden beispielsweise alle Fragen zur Bestattungsform, der Bestattungszeremonie und der Information von Freunden und Bekannten besprochen.

2. Schritt: Unterlagen sichten

Als Nächstes sollte man die Unterlagen sichten. Das kann sehr emotional werden. Wichtig ist, folgende Dokumente zu finden:

Wichtige familiäre Unterlagen

  • Familienstammbuch
  • Geburtsurkunde(n)
  • Heiratsurkunde(n)
  • Scheidungsurteil(e)
  • Letztwillige Verfügung(en)-> Testament(e)
  • Vollmachten

Wichtige vermögensrechtliche Unterlagen

  • Übersicht über alle Geld-, Spar- und Wertpapierkonten
  • Übersicht über alle Vermögenspositionen (Unternehmensbeteiligungen, Immobilienvermögen, sonstiges Vermögen)
  • Übersicht über alle Schulden (Darlehen etc.)
  • Übersicht über alle Versicherungen
  • Übersicht über alle Passwörter (Handy, iTunes, Amazon)
  • Rentenversicherungsnummer; ggf. Versicherungsnummer Versorgungswerk(e)

Unternehmensbeteiligungen

  • Handelsregisterauszüge
  • Gesellschaftsverträge
  • Gesellschafterlisten
  • Gesellschafterbeschlüsse
  • Darlehensverträge
  • Bilanzen der letzten 3 Jahre

Immobilienvermögen

  • Grundbuchauszüge
  • Mietverträge
  • Darlehensverträge
  • Abgeschlossene sonstige Verträge (Hausverwaltung, Energieversorger etc .)
  • Wertgutachten

Versicherungen

  • Originalversicherungspolicen

Sonstiges Vermögen

  • Kaufverträge
  • Wertgutachten
  • Bilder von wesentlichen wertvollen Vermögensgegenständen

Je nach Aktenlage kann das eine große Herausforderung sein, alle Unterlagen beizubringen. Wer seinen eigenen Hinterbliebenen die Suche ersparen oder vereinfachen möchte, sollte also diese Unterlagen selbst ordnen und so aufbewahren, dass sie im Falle eines Falles gefunden werden können.

Die wichtigen familiären Unterlagen werden in der Regel im Rahmen der Erbscheinbeantragung benötigt, die wichtigen vermögensrechtlichen Unterlagen braucht man für die Erbschaftsteuererklärung, die Umschreibung der Eigentumsverhältnisse im Grundbuch, die Umschreibung von Konten, die Klärung der Rechtsstellung im Rahmen des Gesellschaftsrechts, die Beantragung der Lebensversicherungssumme etc.

Immer wichtiger ist auch der digitale Nachlass. Dies beginnt bereits damit, dass man Freunde informieren will, aber weder deren Adresse noch deren Telefonnummer hat, diese Informationen jedoch im Handy der oder des Verstorbenen sicherlich zu finden sind. Weiter geht es mit den jeweiligen Passwörtern/PINs, welche z.B. bei einem Schließfach oder Tresor anzugeben sind oder bei einem Sparbuch mit Kennwort.

Um das praktische Tun der Erben zu erleichtern, sollte man also die oben aufgeführten Unterlagen an einem Ort in Form eines Notfallorders zusammenführen. Zu oft sind diese wichtigen Unterlagen nicht zentral vorhanden, sondern in irgendwelchen Ordnern quer verteilt. Man sollte sich selbst und seinen Erben den Gefallen tun, wichtige Unterlagen zentral zu verwalten. Übrigens: Auch im Falle eines Notfalls wie eines Hochwassers hilft es sehr, die wichtigen Unterlagen in einem Ordner immer griffbereit zu haben!

Wenn Sie ein Inhaltsverzeichnis für einen solchen Notfallordner brauchen, schicken Sie mir doch einfach eine Mail oder eine persönliche Nachricht, ich lasse Ihnen dann gerne ein solches zukommen.

3. Schritt: Erbschein beantragen

Der Erbschein bekundet, wer Erbe ist und ist damit rechtliches Legitimationspapier des bzw. der Erben gegenüber Dritten. In der Praxis benötigt man einen Erbschein vor allem zur Vorlage beim Grundbuchamt oder bei Banken. Zuständig für die Erteilung des Erbscheins ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die oder der Verstorbene seinen letzten Wohnsitz hatte.

Der Antrag ist an keine bestimmte Form gebunden, es bedarf aber regelmäßig einer gerichtlichen oder notariellen Urkunde. So kann der Antrag insbesondere auch zu Protokoll der Geschäftsstelle des Nachlassgerichts erklärt werden. Aufgrund der Pandemie kann es dauern, bis man einen Termin beim Nachlassgericht bekommt. Um die Beantragung zu beschleunigen, ist es daher durchaus ratsam, den Erbscheinsantrag durch einen Notar vornehmen zu lassen.

4. Schritt: Bank(en) informieren

Banken müssen dem Erbschaftsteuerfinanzamt innerhalb eines Monats ab Kenntnis vom Tode der Kundin oder des Kunden Mitteilung über Kontenstände, Depot, Schließfach einschließlich Versicherungssumme und auch Verträge machen.

Diese Pflicht entfällt nur, wenn der Wert der anzuzeigenden Wirtschaftsgüter 5.000 Euro nicht übersteigt. Das Erbschaftsteuerfinanzamt seinerseits macht Kontrollmitteilungen an das Einkommensteuerfinanzamt der oder des Verstorbenen und des oder der Erben, wenn der Barnachlass 50.000 Euro oder der Reinnachlass 250.000 Euro übersteigt. Sobald die Bank über den Sterbefall informiert wurde, wird die Kontoverfügung mittels EC-Karten gesperrt. Somit sind Verfügungen über das Konto nur mittels anderweitiger Vollmacht möglich.

Die Erben sollten sich auf den Todeszeitpunkt bei allen Banken entsprechende Saldenstände geben lassen, welche diese an das Erbschaftsteuerfinanzamt melden, da diese auch Gegenstand der Erbschaftsteuererklärung werden und hilfreich bei der Erbschaftsteuererklärung sind.

5. Schritt: Verträge kündigen, Mitteilungen erstellen

Wenn man über entsprechende Vollmachten verfügt, sollte man zeitnah vorhandene Verträge kündigen, da diese weitere laufende Kosten verursachen. Sofern die oder der Verstorbene zur Miete gewohnt hat, kann natürlich auch der Vertrag innerhalb der vereinbarten Frist gekündigt werden. Häufig ist jedoch die Auflösung des Hausstands eine sehr emotionale Thematik, die mehr Zeit braucht.

Außerdem müssen Renten- und Krankenversicherungen über den Todesfall informiert werden. Hierfür ist in der Regel die Sterbeurkunde notwendig.

6. Schritt: Erbschaftssteuererklärung vorbereiten

Die Steuerpflicht endet mit dem Tod. Deshalb ist in der Regel im Jahres des Versterbens noch eine Einkommensteuererklärung zu erstellen. Die hieraus resultierenden Zahlungen bzw. Erstattungen müssen ebenfalls noch in der Erbschaftsteuererklärung entweder als Forderung oder Verbindlichkeit berücksichtigt werden.

Da für die Erben eine Gesamtrechtnachfolge auch in steuerlicher Hinsicht eintritt, sind die Erben dafür verantwortlich, die noch offenen steuerlichen Deklarationspflichten der oder des Verstorbenen vorzunehmen.

Sobald Sie die oben dargestellten Informationen zusammengetragen haben, sollten Sie sich mit dem Steuerberatenden der oder des Verstorbenen treffen und das weitere Vorgehen besprechen. In der Regel kennt der Steuerberatende die laufenden Sachverhalte am besten und kann Ihnen gut weiterhelfen.

Bei großen Vermögen: Erbengemeinschaft und Familiencharta

Gerade bei größeren Vermögen kann es sehr schwierig und emotionsbelastet sein, das Erbe weiterzuführen. Häufig kommt es in der Praxis zu Streit, der gerade beim Vorhandensein von Unternehmensvermögen existenzgefährdend werden kann. Denn oft rücken sachliche Themen vor emotionalen Themen in den Hintergrund.

Sofern die oder der Verstorbene keine klare Aufteilung des Erbes vorgenommen hat, sollten Sie als Erbengemeinschaft eine Familiencharta erstellen, in der Sie regeln, wie Sie miteinander umgehen wollen; z.B. wer „den Hut aufhaben soll“ oder was bei Streit bzw. in einer Endscheidungspattsituation passiert.

In unserem Fall wäre z.B. beim Versterben der Kinder der geschiedene Ex-Ehemann meiner Schwester erbberechtigt. Eine Situation, mit der sowohl meine Schwester als auch unsere Vorfahren wohl so ihre Probleme hätten…

Dies sind alles hochemotionale Themen, die entweder oft nicht gesehen oder nicht gerne angesprochen werden. Daher sollten Sie sich hierfür externe, professionelle Unterstützung suchen. Eine externe Beraterin oder ein externer Berater kann objektiv durch den Prozess führen und auch problematische Themen ansprechen, die die Erben entweder noch nicht als Problem identifiziert haben oder aus emotionalen Gründen gar nicht erst ansprechen wollen. Hierdurch arbeitet die Erbengemeinschaft präventiv und nicht – wie ich es häufig in der Praxis erlebe – retrospektiv.

Auch die Seele ist wichtig: Trauerbegleitung

Jeder Todesfall hinterlässt eine tiefe emotionale Spur, die wehtut und lähmt. Häufig versucht man den Schmerz einfach nur „wegzudrücken“, aber dadurch wird es nicht besser. Es tut gut, mit jemanden sprechen zu können, über den Schmerz, die Trauer und die Gefühle, die teilweise plötzlich und unvorhergesehen von einem Besitz ergreifen. Jede und jeder muss seine eigene Form der Trauerbewältigung finden. Auch hier kann man sich überlegen, jemanden zu suchen, der einen dabei professionell begleitet.

Sorgen Sie vor!

Durch leider viele Todesfälle im engeren Umkreis habe ich in den vergangenen Monaten immer wieder mitbekommen, dass man durch vorausschauendes Handeln seinen Hinterbliebenen viel Sorge und Leid ersparen kann. Gerne helfe ich Ihnen dabei, einen Notfallordner anzulegen und alles so vorzubereiten, dass Ihre Hinterbliebenen sich um die wirklich wichtigen Dinge kümmern können und sich nicht mit der Suche nach wichtigen Unterlagen herumquälen müssen. Auch wenn Sie ein plötzlicher Todesfall überrascht, bin ich gerne bereit, Ihnen mit Rat und Tat zu helfen, sofern Sie Hilfe benötigen.